Ortsverband Grenzach-Wyhlen

Teilerfolg für die BUND-Klage im Fall Kesslergrube: Bundesverwaltungsgericht lässt Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu

09. August 2022 | Chemie, Umweltgifte, Ressourcen & Technik, Nachhaltigkeit, Kesslergrube, Ortsverband

Durch die Entscheidung des Gerichts ist das seit Jahren laufende Verfahren wieder offen. Der Umweltverband fordert von BASF eine nachhaltige Sanierung der Altlasten in Grenzach-Wyhlen.

In der Kesslergrube wurden unter anderem von Rechtsvorgängern der BASF Abfälle aus der Chemieindustrie eingelagert. Proben haben eine sehr hohe toxische Belastung festgestellt  (Irene Blaha)

Grenzach-Wyhlen/Stuttgart/Freiburg. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat in seinem Beschluss von Ende Juli 2022 die Revision des BUND Baden-Württemberg gegen die geplante Altlastensanierung der Kesslergrube in Grenzach-Wyhlen durch die BASF zugelassen. Damit ist das seit mittlerweile fünf Jahren laufende Verfahren wieder offen. Der Umweltverband hatte für Teile der ehemaligen Kiesgrube einen Totalaushub der Schadstoffe gefordert.

Die BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch zeigt sich hocherfreut über den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts: „Unsere beharrliche Arbeit, getragen vor allem durch unsere ehrenamtlich Aktiven vor Ort und tatkräftig unterstützt durch die Gemeinde Grenzach-Wyhlen, zahlt sich aus und beginnt zu wirken. Höchstrichterlich wird nun geklärt, wie weit die Klagerechte von Umweltverbänden bei der Sanierung von Altlasten reichen. Zudem erhöht sich die Chance, konkret in Grenzach-Wyhlen eine echte und nachhaltige Sanierung der Kesslergrube zu erreichen.“ 

Das Bundesverwaltungsgericht folgte in seinem Beschluss der vom BUND eingelegten Beschwerde, welche die auf Umweltrecht spezialisierte Freiburger Kanzlei Sparwasser & Schmidt auf 99 Seiten begründet hatte: Es hob die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auf, die Revision nicht zuzulassen, und ließ die Revision zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. 

Kann ein Umweltverband gegen den Sanierungsplan gerichtlich vorgehen?

Das Bundesverwaltungsgericht wird sich damit nicht nur umfassend mit der Frage beschäftigen, ob eine anerkannte Umweltvereinigung gegen die Verbindlichkeitserklärung eines Sanierungsplans gerichtlich vorgehen kann, sondern voraussichtlich auch beurteilen, ob die Sanierung rechtmäßig ist. Hier stellt sich die grundlegende Frage, ob eine Sicherung einer Altlast für die nächsten 50 bis 100 Jahre dem Nachhaltigkeitsgrundsatz des § 1 BBodSchG und des Art. 20a GG gerecht wird, wenn die Schadstoffe unter den Bedingungen der geplanten Lagerung Abbauzeiten von mehr als 10.000 Jahren haben werden. Der Rechtsstreit ist damit wieder offen.

Auch der Bürgermeister von Grenzach-Wyhlen, Dr. Tobias Benz, betonte die Bedeutung des BVerwG-Beschlusses für seine Gemeinde: „Die Berufung der Klage der Gemeinde ist nicht zugelassen worden. Dagegen haben wir eine Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde erhoben. Der BUND will mit seiner Klage ebenfalls erreichen, dass BASF als Rechtsnachfolger von Ciba und Geigy seiner Verantwortung gerecht wird und seinen Teil der Kesslergrube nachhaltig saniert. Sonst müssen am Ende wir, die Gemeinde, oder die Allgemeinheit die monetären und ökologischen Folgen tragen. Ich freue mich daher sehr, dass mit Zulassung der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht ein Zwischenerfolg erreicht wurde und die aufgeworfenen Fragen in Leipzig nun einer neuen Prüfung unterzogen werden.“ 

Nachhaltige Sanierung wirtschaftlich vertretbar

Das Gerichtsverfahren – nunmehr über drei Instanzen – war notwendig geworden, da BASF nicht bereit war, die Schadstoffe in der Kesslergrube zu beseitigen. Dabei zeigt die Sanierung des anderen Teils der Kesslergrube, die derzeit von Roche durchgeführt wird, dass eine nachhaltige Sanierung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich ist. 

Schadstoffe nicht den nachfolgenden Generationen überlassen

Irene Blaha von der Ortsgruppe des BUND in Grenzach-Wyhlen verweist auf die Generationengerechtigkeit: „Aktuell wird in der Diskussion zum Klimawandel über diesen Aspekt neu diskutiert. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass BASF keine nachhaltige Lösung anstrebt, sondern – vom Land genehmigt – über Teile der hochtoxischen Schadstoffe einfach einen Deckel stülpt, der nach unten offen ist. Damit wird die Beseitigung der Schadstoffe den nachfolgenden Generationen überlassen.“ 

Auch Rechtsanwalt Peter Neusüß, der das Verfahren bei der Kanzlei Sparwasser & Schmidt betreut, ist überzeugt: „Mit der Zulassung der Revision zeigt das Bundesverwaltungsgericht, dass dieses Verfahren über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Damit bietet sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz auch für den Bodenschutz und die Altlastensanierung die Chance, dass abermals ein oberstes Gericht dem in der Verfassung verankerten Nachhaltigkeitsgrundsatz die erforderliche rechtliche Schärfe verleiht und der Lastenverschiebung auf künftige Generationen Einhalt gebietet. Gelingt das in Leipzig nicht, müssen wir auch noch das Bundesverfassungsgericht bemühen.“

Hintergrund:

In der Kesslergrube wurden unter anderem von Rechtsvorgängern der BASF Abfälle aus der Chemieindustrie eingelagert. Proben haben eine sehr hohe toxische Belastung festgestellt. Der Sanierungsplan der BASF für ihren Teil der Kesslergrube („Geigy-Grube“) sieht dennoch bloß Spundwände und Grundwasserpumpen vor. Er wurde aber vom Landratsamt Lörrach genehmigt und vom Regierungspräsidium Freiburg im Widerspruchsverfahren bestätigt. Dagegen erhoben die Gemeinden Grenzach-Wyhlen, Riehen und Muttenz, der BUND Baden-Württemberg und die Baugenossenschaft Grenzach im Oktober 2017 Klage, um eine echte Sanierung zu erreichen, wie sie im Roche-Teil der Kesslergrube derzeit erfolgreich durchgeführt wird. Die Klagen wurden vom Verwaltungsgericht abgewiesen, die Berufung des BUND wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg weitgehend als unzulässig, im Übrigen als unbegründet zurück und ließ die Revision nicht zu.

Der von BASF entwickelte und vom Land Baden-Württemberg bestätigte Plan weist gravierende rechtliche Mängel auf, die das Landratsamt und BASF im Verfahren bislang nicht widerlegen konnten: Der genehmigte Sanierungsplan wirkt nicht nachhaltig. Seine Datengrundlage ist mangelhaft. Er schützt das Grundwasser nicht hinreichend. Er schließt eine weitere und noch gefährlichere Ausbreitung von Schadstoffen nicht aus. Sie könnten sogar die Trinkwasserversorgung erreichen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Klage – bei der gebotenen völkerrechtskonformen Auslegung – zulässig.


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